Mittwoch, 15. April 2015

Veränderungen 1977 - 1982
(Gastbeitrag von Stefan)

the times they are a-changing.

Anbei ein neuer Text für den JuZet-Blog.

Gruß,
Stefan

Veränderungen 1977 - 1982

 „Ch-ch-changes ... just gonna have to be a different man ... 
(David Bowie „Changes aus dem Album „Hunky Dory“, 1971)

Ich weiß nicht mehr, wann genau es losging. Wer oder was Anlass, Grund, Initialzündung war. Vielleicht lagen die ´Changes´ einfach in der Luft, die auf einmal ziemlich abgestanden wirkte, die nach Frischezufuhr verlangte, welche dann auch prompt herbeigefächelt wurde von einem nervös heranflatternden Geist namens Zeit. Oder auch: Trend, Mode.

Vielleicht war es einfach nur Langeweile. Kaum etwas ist schlimmer in der spannenden, aufregenden, von ständigen Veränderungen geprägten Phase zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr als das Ausbleiben von Spannung, Aufregung, Veränderung.

Möglicherweise lag es auch daran, dass ich, als ich 1977 als Fünfzehnjähriger Teil des faszinierenden Langhaar-, Teestuben-, Räucherstäbchen-, Hippiemusik („Gong & Co.) -, „Jute statt Plastik“-, Indienklamotten-, „Atomkraft? Nein, danke!“-, Griechenlandurlaub-, Anti-Kapitalismus-Universums des Offenen Jugendzentrums Bayreuth wurde, in eine Welt trat, die längst etabliert war, die irgendwann in den 1960er ihren Beatnik-Anfang genommen hatte, zur Hippiebewegung wurde, zum Achtundsechziger-Studentenprotest auch, und dann  - mittlerweile waren die 1970er angebrochen -  anfing, ihren festen Platz, ihre Strukturen, Standards, Institutionen auszubilden. Gorleben-Protest, Friedensbewegung. 1980 dann die Gründung der „Grünen“. Bei zumindest einer der Gründungssitzungen der Bayreuther Grünen war ich dabei, allerdings eher in hinterer Reihe und nicht besonders bei der Sache.

Die Szenerie wirkte für mich bereits reichlich erstarrt, langweilig-erwachsen, alt (während andere vom grünen Aufbruch schwärmten).

Bei den großen Antinachrüstungsprotesten der 1980er Jahre war ich jedenfalls nicht mehr anwesend. Frieden schaffen ohne Waffen hin oder her  -  eine größere Ansammlung Langhaariger (ein solcher war ich selbst noch kurz davor) in Latzhosen und in Kombination mit schlechter Live-Musik a la „Das weiche Wasser bricht den Stein (Bots) hatte für mich das Unerträglichkeitsniveau des Musikantenstadls.

Was war passiert?

Wieso trug ich im Jahre 1981  - 4 Jahre nach meinem Hippie-Einstand und kurz vor dem Abitur -  Röhrenjeans, Lederjacke, kurze, oben hochgestylte Haare?

Wieso bewunderte ich einen Bekannten, der nicht mit dem Jute-Umhängebeutel, sondern mit einem Haushaltsplastikeimer als Schultasche durch die Gegend lief und dessen Wohnung obstkisten- und räucherstäbchenbefreite Zone war, minimalistisch eingerichtet, nur weiße Wände. Und massenhaft Schallplatten, von Abwärts, B-52s, Clash, DAF, Der Plan, Einstürzende Neubauten, Fehlfarben♫ über Pop Group, Talking Heads, Siouxsie & the Banshees♫ bis hin zu ZK♫ (dem Vorläufer der Toten Hosen♫ übrigens).

Unter anderem war passiert, was der Hamburger Journalist und Independent-Plattenlabel-Betreiber Alfred Hilsberg im Oktober 1979 in der Zeitschrift „Sounds“ unter der Überschrift „Neue Deutsche Welle  -  Aus grauer Städte Mauern“ schrieb:
http://www.sounds-archiv.at/...

„In Westdeutschland und Westberlin findet eine neue Musik statt. Sie wird gemacht und wird gehört. Einige nennen es immer noch Punk und wollen es sein. Andere wissen mit diesem Begriff nichts mehr anzufangen. Dutzende von Gruppen arbeiten in Wohnzimmern, Übungsräumen, Studios. Manche spielen, um sich und ihren Fans Spaß zu bringen. Andere haben ernstere Ansprüche, entwickeln Konzepte, neue Töne. Und arbeiten mit deutschen Texten. Sie spielen in wenigen Clubs, organisieren bereits erste Tourneen. treten auf Lastwagen auf. Keiner lebt von der neuen Musik, Sie gehen arbeiten, zur Schule, studieren, nehmen Kredite auf, wohnen zu Hause oder in einer Kommune. Manche sind erst 15, andere bald 30.“

Dies war das erste Mal, dass der Begriff „Neue Deutsche Welle“ auftauchte, und damit waren nicht die späteren, dümmlichen Hitparaden-Schlagerclowns a la Markus („Ich will Spaß) und die 99-Luftballons-Trulla Nena♫ gemeint, sondern eine von Punk und New Wave ausgelöste, subkulturelle Kreativitätseruption inkl. Entstehung ganz neuer Distributions- (unabhängige Plattenlabels wie Alfred Hilsbergs „ZickZack“) und Kommunikationsmöglichkeiten (Fanzines).

Es war mehr als nur Musik, es war eine neue, ungemein elektrisierende Jugendkultur.
Und was ist schöner als Teil einer Jugendbewegung zu sein?

Also verabschiedete ich mich mehr und mehr aus der patschuli-umwölkten Hippiegemeinschaft des Offenen Jugendzentrums, auch wenn dieses als Veranstaltungsort für eben jene neue Welle und somit auch für mich weiterhin sehr gefragt war.

Ich bin dort einmal als Gitarrist mit den „Blitzboys“ aufgetreten und einmal bei einem musikalischen Live-Witz namens „Freibier“. (Wir hatten auf das Plakat „Freibier“ geschrieben, um Publikum anzulocken, welches dann anstattdessen mit einer Band dieses Namens konfrontiert wurde, die überhaupt nicht spielen konnte und kaum geprobt hatte. Ich erinnere mich an eine Cover-Version von „Kebab-Träume, bei der ich am Schlagzeug saß. Ich kann nicht Schlagzeug spielen.)

Kassettofest im Juzet 26.12.1982
http://www.bandmuseum.de/... 
Als Ende 1982 die Kulmbacher Band „Euroschäck“ im Jugendzentrum auftrat, war ich im Publikum (ein Foto davon ist in diesem Blog zu finden, irgendwo in den hinteren Reihen bin ich auch zu sehen), das Konzert war klasse.

Als kurz danach der letzte Vorhang für das Jugendzentrum an sich fiel, fand ich dies zwar weniger klasse, nahm es aber eher nebenbei zur Kenntnis, emotionslos.

Wie etwas, das eigentlich im Kopf schon längst abgehakt ist und jetzt nur noch formal bestätigt wird.

Das Ende ist manchmal banal.






Stefan:
Danke, Christian, für die umfangreiche Verlinkung der Bandnamen im Text zu You Tube & Co.: Schon interessant z.B., wenn man kurz hintereinander auf "Das weiche Wasser bricht den Stein" und "Musikantenstadl" klickt, hihi.

Christian:
Solche verteilten Arbeitsprozesse nennt man heute "crowdsourcing" - ich finde, wir haben das auf unsere alten Tage bisher ganz gut hingekriegt....

Stefan: 
Finde ich auch. ;-)

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