Und wie mögen die Wege der einzelnen in den vergangenen 40 Jahren ausgesehen haben? Nur einige konnte ich persönlich mitverfolgen.
Auch die Dokumente zur Geschichte des Jugendzentrums in der Schulstraße habe ich aufmerksam gelesen und mir wurde wieder sehr deutlich, was die Initiatoren um Werner Kolb da alles auf sich genommen haben. Ein „Offenes Jugendzentrum Bayreuth“ sollte es werden und selbstverwaltet – es war ein weiter Weg bis zur Eröffnung im Haus in der Schulstraße. Dieses Haus wurde ja in den 20er Jahren der Stadt Bayreuth geschenkt, zweckgebunden „Wärmestube für arme Leute“ zu sein. Nun - in den 70er Jahren - gestalteten junge Leute in dem Haus ihre eigenen Gemeinschaftsräume, in denen sie sich wohlfühlen konnten (gewissermaßen „Wärmestube“ ganz anderer Art).
Der neue Gedanke der Selbstverwaltung junger Menschen war damals überall zu spüren. Ich begleitete als Jugendbildungsreferent der EIBA (Evangelische Industriejugend- und Berufsschülerarbeit) solche Bewegungen nicht nur in Bayreuth, sondern auch in Hof/Saale, Bamberg, Coburg, Kronach, Wunsiedel, Selb, Marktredwitz, Forchheim, Neustadt, Pegnitz sowie Weiden/Oberpfalz. Mit den Autoritäten dieser Städte hatte ich manches lebhafte Gespräch, auch Streitgespräch. Sie konnten sich nur selten von den Erfahrungen aus ihrem eigenen Erwachsenenwerden lösen. Zu tief waren auch Ängste vor Drogen, ausschweifenden Festen und nicht zuletzt auch vor dem politischen Engagement der nun jungen Generation. So meinte OB Wild einmal, dass doch die Sportvereine dazu da wären, dass die junge Generation sich entfalten könne. Dies habe er doch selbst erfahren. Es bedurfte viel Zeit – und auch persönliches Vertrauen seinerseits – bis er akzeptierte, dass die jungen Leute der 70er Jahre ein anderes Lebensgefühl haben, als es noch in seiner Jugendzeit und auch noch in den 50er Jahren gegeben war. Ganz verstehen konnte er es wohl nie. So war es notwendig, immer wieder auch aus Anlass einzelner Veranstaltungen um Vertrauen zu werben für die jungen Leute mit ihrem Engagement im Jugendzentrum.
Während die Mehrheit der SPD-Stadträte das JuZet Schulstraße nachsichtig duldeten – schließlich waren die Jusos die Initiatoren des offenen und selbstverwalteten Jugendzentrums -, sahen die CSU-Stadträte dort eher eine gefährliche linke „Kaderschmiede“. Ein Grund für diese Verdächtigungen war wohl auch die Mitarbeit einiger Mitglieder der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend. Ja, die arbeiteten recht erfreulich beim Jugendrat des JuZet mit. Allerdings war meines Wissens keiner von ihnen „Arbeiter“. Dazu fällt mir eine kleine Episode ein: Jungarbeiter wohnten im Stadtteil Herzogmühle in Bayreuth. Ich hatte guten Kontakt zu diesen – von manchen auch als schwierig bezeichneten – Jugendlichen. Eines Abends wurde ich vom JuZet aus angerufen mit der Bitte, schnell zu kommen, weil „die Herzogmühler unsere Räume in der Schulstraße besetzt haben und alles blockieren“. Diese waren natürlich der Meinung, dass ein Offenes Jugendzentrum für alle offen sein müsste, nicht nur – wie sie meinten – für „höhere Schüler“. Nun, ein Kompromiss wurde gefunden: Jeden Donnerstagabend war der Gruppenraum für die Herzogmühler reserviert, die dann dort das Sagen hatten. Ich glaube, sehr lange hielt das Interesse daran aber nicht vor.
Interessant waren auch die Treffen von Mitarbeitern aller Jugendzentren aus Oberfranken im evangelischen „Haus der Einkehr“ in Himmelkron. Einmal arbeiteten wir an „land art“ und färbten eine Wiese gelb und Bäume rot. Ein anderes Mal wurde der Seminarraum mit Querfäden versponnen, unter denen man sich durchbewegte, ohne sie zu berühren. Das Wesentliche bei solchen Treffen aber war: Man lernte sich kennen und tauschte Erfahrungen aus.
Für mich persönlich waren damals die Ost-West-Begegnungen besonders wichtig, Menschen von „drüben“ kennen zu lernen und von ihrem Leben zu erfahren. Auch die JuZetler wurden zu Gruppenfahrten nach Berlin eingeladen. Dabei wohnten wir in Westberlin und tagsüber besuchten wir Pfarrer Schremm in der Eliasgemeinde in Ostberlin. Dieser zeigte uns unter anderem auch auf, welche Möglichkeiten Christen in der DDR hatten, als solche in ihren Gemeinden zu leben. Die Begegnungen waren immer aufregend und spannend.
Wenn heute – auch anhand dessen, was ich im Blog so alles wieder fand – meine Gedanken in die 70er Jahre zurückgehen, so bin ich noch immer froh darüber, dass ich völlig frei die jungen Leute in den Jugendzentren begleiten und beraten konnte. Das war einer Reihe von Persönlichkeiten in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern zu verdanken, die mir dafür freie Hand ließen und dafür sorgten, dass ich bezahlt wurde und dass die Wochenendtreffen und Fahrten bezuschusst wurden.
Doch nun zurück zum Anlass dieses Beitrags, der Revival-Party am 02. Mai 2015 in Bayreuth:
Leider kann ich nicht mit dabei sein. Ich bin zurzeit auf sog. Gehhilfen angewiesen und warte (nach mehreren Stürzen ohne Brüche) auf eine ambulante Reha. Bei uns Älteren dauert alles etwas länger, bis etwas wieder ins Lot kommt. Immerhin werde ich Mitte Mai dieses Jahres 82 Jahre alt. Ich wundere mich manchmal selbst darüber. Ich wünsche allen, die sich in Bayreuth einfinden, eine wunderbare Party, viel Freude beim „sich wieder erkennen“, an toller Musik, guten Gesprächen und vielleicht ja auch an neu geknüpften oder wiederbelebten Kontakten. Ich werde sehr an euch denken und grüße euch herzlich.
Artur Ziegenhagen
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Lieber Artur, dein Text ist sehr berührend. Danke! Wir werden dich bei der Party vermissen und an dich denken. Alles Gute und eine schnelle Genesung!
Christian
>>> siehe auch Blogartikel "Artur Ziegenhagen und die EIBA"
Nachtrag 30.4.2015:
Die germanistisch-wissenschaftliche Abteilung des Blogs weist auf den grammatikalisch interessanten Satz "Es bedurfte viel Zeit – und auch persönliches Vertrauen seinerseits – bis er akzeptierte,..." in diesem Beitrag hin:
Das
Verb bedürfen bedarf im Normalfall eines Genitivobjekts, das Objekt darf
aber auch im Akkusativ stehen, wenn es keinen Artikel bei sich hat. Besonders
bei (artikellosen) Substantivgruppen mit attributivem viel ist der
Akkusativ erlaubt.
Da der Autor beim ersten Substantiv den Akkusativ wählt, ist es nur
konsequent, dass auch das nebengeordnete zweite Substantiv im Akkusativ steht -
allein schon deshalb, weil viel auch auf das zweite Substantiv zu
beziehen ist (das quantifizierende Adjektiv kann in der nebengeordneten
Konstruktion beim zweiten Substantiv elliptisch weggelassen werden).
Es
gibt in diesem Fall also zwei Möglichkeiten:
a) es
bedurfte vieler Zeit - und auch persönlichen Vertrauens seinerseits ...
b) es
bedurfte viel Zeit - und auch persönliches Vertrauen seinerseits ...
Die
erste Möglichkeit ist im heutigen Standarddeutsch wohl geläufiger.
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