Samstag, 25. April 2015

Dankbarer Blick zurück in meine EIBA- und JZ-Bayreuth Zeit 1976/1977 „The dreams of a better life" (Gastbeitrag von Edwin)

Ein neuer Gastbeitrag, ein neuer Autor, neue Eindrücke, und ein herzliches Danke an Edwin! 


1. Praktikumstag, Oktober 1976
….Im Herbst letzten Jahres erfuhr ich von der geplanten Revival-Party. Seitdem lese ich die interessanten Blogs. Wahnsinn, wie die Beiträge eine Wieder-Beleuchtung verdunkelter Zeit-Räume anregen und in vielerlei Hinsicht auf ungeahnte Weise erhellen. Ein Dankeschön an alle Schreiberlinge dafür! Ein Puzzlespiel längst vergessener Situationen, Ereignisse, Gedanken. und Gefühle: Ich bin jedenfalls von Mal zu Mal des „Hineinleuchtens“ in die Vergangenheit immer wieder in einen spannenden Sog geraten. Mir ist dabei schon klar: Rückblicke fallen immer deutlich positiv aus. Unser Bewusstsein trickst uns aus, schützt uns vor Niederungen unangenehmer Erfahrungen und hebt hauptsächlich Positives hervor. Egal! Auch wenn das persönlich Erlebte und Getane, worüber ich schreibe, letztlich deutlich weniger glanzvoll war, so ist es doch retrospektiv meine subjektive Wahrheit!
Sie hat mich in den vergangenen Wochen und Monaten den einen oder anderen Leitz-Ordner öffnen und in alten Korrespondenzen und Dokumenten stöbern lassen. Viele vergilbte und nur noch schwer lesbare Seiten gelesen: Einen Spaziergang durch ein arbeitsreiches Jahr in Bayreuth und durch die Geschichte der JZ-Bewegung nochmal anders gemacht!

Oktober 1976 begann und Juli 1977 endete die kurze und intensive Wegstrecke als Jahrespraktikant in der EIBA (Evangelische Industriejugend- und Berufsschülerarbeit). Es war eine gute Entscheidung. In diesem Praktikumsjahr waren weitere 5
Polizeibesuch März 1977
JahrespraktikantInnen für andere oberfränkische JZs eingesetzt/zugeordnet. Wir haben kritisch die Arbeit der EIBA und damit natürlich auch unsere eigene Arbeit räsoniert und diskutiert, immer im Zeichen des von allen unterstützten gesellschaftlichen Aufbruchs. Das Selbstverständnis von selbstverwalteten JZs, auch in unseren Praktikanten-Hinterköpfen, bestand ja darin, dass den JZ-lern keine Sozialarbeiter vor die Nase gesetzt werden sollten, die sie nicht wollten, schon gar nicht: die bestimmen wo es lang geht. So war ich zwar für das Bayreuther JZ „zuständig“, fühlte mich dort aber zum Glück so aufgenommen, wie einer unter vielen JZ-Besuchern. Viele wussten nie oder erst gegen Ende des Praktikums, dass ich ein EIBA-Praktikant war. Ich begann im Oktober 1976 als Teilnehmer des beliebten, immer wieder aufgelegten EIBA- Medienseminars in Himmelkron mein Praktikum. Das Polaroid-Photo zeugt von meinem Rundumgefühl auf dem Seminar.

Der Philosoph Ernst Bloch beschreibt diesen inneren Zustand in seinem Werk „Prinzip Hoffnung“ als „riesigen Behälter voll Zukunft“. Das war die Zeit und so fühlte ich mich!

Korrespondenzen mit Artur, Protokolle der Praktikantenbesprechungen, die JZ-Rundbriefe unseres im Februar 1977 gegründeten Koordinationsbüros für Oberfränkische JZs und Inis, meine und andere Beiträge im Rahmen meiner Mitarbeit als freier Mitarbeiter der WIR, Kurz-Andachten, die ich zum Thema Friedensarbeit/Friedenserziehung - frag mich nicht in welcher Bayreuther Kirche - im Frühsommer 1977 - gehalten hab.
Gefühlt habe ich nur einen kleineren Teil meiner Praktikumszeit direkt im Bayreuther JZ verbracht, führte dort vor allem Einzelgespräche (Beratung, auch zum ständigen Thema KDV). Meine Präsenz im Offenen JZ bestand aus einer Mischung wohlwollender Begleitung, eine Einstellung, wie sie Artur selbst vorlebte. Heute kann man sich nur wundern, welch idealtypischen Rahmenbedingungen ich bei der EIBA vorfand: Arthur Ziegenhagen machte durch seine Unterstützung und Begleitung meiner Arbeit den Weg frei und dies mit langer Leine und Vertrauen. Artur wusste, dass seine Praktikanten in Oberfrankens JZs das Richtige tun.

Mit 39-jährigen Abstand betrachtet geschah dies alles in der Phase meiner unumstritten unbekümmertsten Lebenszeit.

Werner, einer mit einer hervorragenden Idee zum richtigen Zeitpunkt, für all diejenigen, deren Lebensgefühl genau dies brauchten: Einen Ort zum Wohlfühlen und zum Träumen (Vereinsgründung Offenes Jugendzentrum 1973). So sollte es sein: Eine klitzekleine Idee mit sooooviel gesellschaftlich nützlicher Resonanz. Wahnsinn! Heute erleben wir überwiegend eine VERBOTS-Gesellschaft statt einer dringend benötigten GEBOTS-Gesellschaft, die öffentliche Räume freigibt für gemeinsame Erfahrungen, so wie es damals mit der Vereinsgründung war!!! Mit der EIBA, d.h. mit Artur Ziegenhagen und der WIR (mit Wuschel und den anderen Mitstreitern) fügte sich ein Ensemble passender Glücksfälle für die Etablierung des Offenen und selbstverwalteten JZ Bayreuth, das letztlich zum Anker der oberfränkischen JZ-Bewegung wurde.

Und wenn ich die Personen aufzähle, die zuvorderst meine Bayreuther Zeit und die auch sonst bewegte Zeit Mitte der 70-ger mit ihren Ideen, Entscheidungen bzw. Rahmenbedingungen (politisch) den Stempel aufgedrückt haben, dann sind das eben Werner Kolb (Vorsitz des JZ Vereins), Wuschel (Taktgeber der WIR), Carola Gold (Mox, die leider schon tot ist und meine Kollegin war im Koord-Büro für JZs und Jz-Initiativen von Feb. bis Juni 1977). Oder Isolde Brückner (unentwegte Mahnerin für Frieden/Kriegsdienstverweigerung), Ewald Naujoks, öffentliche Persönlichkeit und damals politisches Vorbild für Viele und unschätzbarer Mediator für zahlreiche Pubertierende, die ihn aufsuchten, um Mut für neue Lösungen in ihren Beziehungskonflikte zu bekommen. Dann gab´s weiterhin die Familie Wagner mit ihrem prägenden Einsatz für Asylsuchende, für Respekt gegenüber Vielfalt und Unterschiedlichkeit anderer Kulturen?…. und viele andere Mitstreiter, mit denen ich weniger Kontakt hatte, die aber für mich zur „Gegenkultur-Familie“ zählten. Diese alle trugen wie ein Puzzle zur einzigartigen Atmosphäre der konkret utopischen neuen Welt innerhalb der alten Welt bei und haben mich geprägt. Wie wichtig jeder Einzelne für das Ganze war, kann man ja leider nicht belegen, jedenfalls war das Ganze mehr als nur die Summe der Einzelnen, man nennt es auch Synergie, jedenfalls war es unschätzbar für das Offene Jugendzentrum!

Heute steht uneingeschränkt fest: Es war traumhaft für mich, mit Euch, mit tollen Menschen in diesem gegenkulturellen Biotop zu sein und mit einer heute unfassbaren Selbstverständlichkeit einem gesellschaftlichen Traum zu frönen, und gleich einer fleißigen Biene alles tägliche TUN auf Wolke 7 gerne zu tun - ich durfte Tun und ich wusste was zu tun war! DANKE-SCHÖN!



>>> Artur Ziegenhagen
>>> Ein Beitrag für den JuZet-Blog mit herzlichen Grüßen von Artur Ziegenhagen
>>> Werner Kolb
>>> Ewald Naujoks
>>> Carola Gold
>>> WIR
>>> KDV
>>> EIBA, heute EJSA
>>> Ernst Bloch,  „Prinzip Hoffnung




Werner:
Mensch, waren wir gut!

Wilfried:
"… waren", Werner ?

Werner:
Na ja, Wilfried, das Offene Jugendzentrum war schon eine Riesensache. Ist mir erst im Nachhinein so richtig klar geworden.

Michael Poesiepirat: 
Laßt mich noch einmal rasen,beseligt und verflucht!
Bei den gerümpften Nasen bin ich längst abgebucht.
Papiere gibt es keine und auch kein Testament.
Die Welt die Welt ist meine und mein das Herz das brennt.
Laßt mich noch einmal heben den Schatz aus Blut und Blei!
Der klassischen Epheben bedarf es nicht dabei .
Der Faust allein der Spucke - weg den gesalbten Duft!- vertrau ich;
wenn ich schlucke den letzten Humpen Luft.
Laßt mich noch einmal tanzen aus freister Phantasie!
Bei den dressierten Wanzen gelingt mir das doch nie.
Zerschmettert und zerstochen liegt ihr verfälschtes Tun
Jetzt auf ihr alten Knochen verjüngt, verjüngt euch nun!
Laßt mich noch einmal stürmen bis daß die Nacht verzischt!
Hoch auf des Gipfels Türmen da wird mir aufgetischt.
Ob ihr erglüht ihr Steine, ob euch der Sturm berennt
Die Welt die Welt ist meine und mein das Firmament .
MARTIN KESSEL Gesammelte Gedichte 1951 Rowohlt

Michael Poesiepirat:
danke werner

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