Für meine Kinder unvorstellbar oder längst aus deren Erinnerung
verschwunden, hat sie unser aller Leben in und um das Bayreuther Offene
Jugendzentrum herum sehr direkt, aber auch sehr subtil beeinflusst: die Mauer,
die Zonengrenze, die Staatsgrenze zur DDR (in BILD-Schreibweise: „DDR“), die deutsch-deutsche Grenze oder der
anti-imperialistische Schutzwall – je nach Sichtweise. Irgendwie war die Grenze
immer präsent, vor allem auch in unseren Köpfen, so oder so, nur in der Wetterkarte
der Tagesschau, da gab es keine Grenze.
Zieht man einen Kreis um Bayreuth mit 50 km Radius, dann war
damals fast die Hälfte seines Umfangs Grenze zum „Ostblock“. Zonenrandförderung war
angesagt - und militärische Präsenz. Die GIs, die amerikanischen Soldaten der Christensen
Barracks in Bindlach, waren normaler Teil des Bayreuther Nachtlebens. Manche
Discotheken wurden regelmäßig von der recht martialisch aussehenden „Military
Police“ (MP) kontrolliert.
Die Spitze des Schneebergs im Fichtelgebirge war
militärisches Sperrgebiet, der ehemalige amerikanische Abhörturm ein weithin
sichtbares Zeichen für den andauernden Kampf zweier politischer und militärischer Systeme.
Rudolphstein/Hirschberg, der schwer gesicherte Grenzübergang
bei Hof, hässlich und unfreundlich, war der Startpunkt jeder öden,
grauen 3-Stunden-Fahrt durch die DDR nach Berlin. Die Raststätten dazwischen waren
skurrile deutsch-deutsche Treffpunkte, in denen man sich einen Broiler oder
eine Soljanka einverleiben konnte zu aus westlicher Sicht merkwürdigen Preisen
wie 2,14 M – wir kannten eher Preise wie 4,98 DM. Die Stimmung in diesen
Raststätten, in denen die einen Deutschen neben den anderen Deutschen saßen, war surreal, die Intershops wie aus einer anderen Welt.
Diese unwirkliche Stimmung fiel erst von einem
ab, nachdem man in Berlin den Grenzübergang Dreilinden/Drewitz hinter sich
gebracht hatte. Das damals daraus für Berlin resultierende fast heimelige Insel-
und Heile-Welt-Gefühl ist heute nicht mehr reproduzierbar.
Die Geschichte hat viele Hoffnungen von damals enttäuscht
oder eines Besseren belehrt. Die Menschen wollten das System dort einfach
nicht. Oder das System wollte die Menschen nicht. Oder das System konnte sich
den Menschen nicht mehr schnell genug anpassen. Vielleicht war es auch einfach der
Wunsch nach freier Bewegung und weniger Beobachtung. Auf jeden Fall hat es
nicht funktioniert und ist vollends gescheitert.
Auch ein selbstverwaltetes, offenes Jugendzentrum hätte es
„drüben“ so nicht geben können, das war einfach undenkbar. Hier war die deutsche-deutsche Grenze auch eine Grenze des Machbaren. Dieser exklusive Luxus war uns im Westen vorbehalten. Natürlich
gab es das Juzet nicht geschenkt, es musste hart vom Verein, den Unterstützern
und den Aktiven gegen viele Widerstände erkämpft und immer wieder verteidigt
werden.
Aber dass es in Bayreuth möglich war, sich so einen wunderbaren, freien
Abenteuerspielplatz demokratisch zu „erobern“, dafür darf man der Gesellschaft,
der Stadt Bayreuth und ihrer Kommunalpolitik rückblickend auch einfach mal
Danke sagen, oder? Und ohne den Widerstand der "konservativen Spießer" hätte es doch
auch viel weniger Spaß gemacht ;-)
>>> Bilder Grenze
>>> Bilder vom Schneeberg (Schneeberg-Vets)
>>> US Army Installations - Grafenwöhr (u.a. die Christensen Barracks, Bindlach)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.