Freitag, 27. März 2015

Das Jugendzentrum & die Magie der Schallplatte (Gastbeitrag von Stefan)

Via Facebook traf gestern dieser Gastbeitrag von Stefan ein! Vielen Dank, Stefan!

Letzthin ging mir ständig eine Melodie durch den Kopf, eher: ein Melodiefetzen, dazu ein Textfragment, ein Refrainteil, irgendwie (warum auch immer) herangeweht aus alter Zeit, Dekaden durcheilend schnurstracks in meinen Kopf gebeamt, sich dort festsetzend und den Wunsch auslösend, das gute Stück mal wieder anzuhören.

Irgendwo in meiner Musiksammlung habe ich den Song als Audiokonserve zur Verfügung, dachte ich mir, aber wo und vor allem in welcher (Speicher-) Form? Auf dem iPod, dem iPhone, dem Computer? Auf irgendeinem USB-Stick? Im Internet in einer meiner Musik-Clouds (iTunes, Amazon) oder im häuslichen Netz im NAS-Speicher der Fritz-Box? Auf einer CD? Auf einer der analogen Musikkassetten in dem alten verstaubten Pappkarton? Oder auf Schallplatte?
(Schallplatte, ihr wisst schon: Vinyl, schwarz, Rillen, analog. Knistern, Knacken, Prasseln aus den Lautsprechern der Stereoanlage nach dem Aufsetzen der Nadel des Plattenspieler-Tonarms.) Wo steckt nur der verdammte Ohrwurm?

Damals zu Jugendzentrumszeiten war die Tonträgerauswahl deutlich übersichtlicher. Schallplatte oder Kassette, etwas anderes war noch nicht erfunden.

Wobei das Hauptmedium, das Ding, das sich nicht nur drehte, sondern um das sich (fast) alles drehte, die Schallplatte war, die Kassette war eher eine Bandsalat produzierende Zweitlösung, wenn mal wieder das Taschengeld für all die LPs, die man so gerne gehabt hätte, nicht reichte und daher das Plattenausleihen von Freunden zum Zwecke des Musiküberspielens auf Magnetband die einzig gangbare Alternative war. (Ja, das hemmungslose Gratis-Kopieren von Musik existierte schon in analogen Prä-Internetzeiten.)

Im Jugendzentrum gab es zwei Plattenspieler, einen unten im Hauptraum, einen oben in der Teestube.

Als ich mit 15 anfing, ins Jugendzentrum zu gehen, betrat ich damit zugleich ein mir vorher gänzlich unbekanntes musikalisches Universum abseits des Hitparaden-Mainstreams, nämlich die Welt von Gentle Giant, Gong, Van der Graaf Generator, Yes♫ - um eine Kurzauswahl zu nennen.
(Dass in diesem Jahr 1977 an anderen Orten der Welt, in London etwa, die Punk-Revolution losbrach, die angetreten war, die „boring old farts“, die langweiligen alten Fürze, also etwa die Yes-hörenden Althippies hinwegzufegen, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht - ich hatte erst so um 1981 meine persönliche New-Wave-Revolution. 1976 wurde übrigens auch Apple gegründet, jene Computer-Firma also, die dann in den 2000er Jahren mit iPod & iTunes unser aller Art des Musikkonsumierens nachhaltig verändert hat. Der damals langhaarige, hippiemäßig aussehende Apple-Gründer Steve Jobs hat übrigens im Jahr 1974 als 19-Jähriger einen Indien-Trip gemacht.)

                           

Im JuZet traf ich 1977 auf Leute, die - teils so jung wie ich, teils ein wenig älter - über beeindruckende Schallplattensammlungen und umfangreiches Musikspezialwissen verfügten, letzteres zumeist gespeist aus der Hamburger Monatszeitschrift „Sounds“, die oft von irgendjemandem ins JuZet mitgebracht wurde und in deren Anzeigenteil man übrigens jene Plattenversender fand, die es überhaupt erst möglich gemacht hatten, an die gewünschten Tonträger zu kommen, per Post und Nachnahmesendung (die Bayreuther Plattenläden waren sortimentsmäßig öder Mainstream und kaum zu gebrauchen).

Ab und zu fand sich auch eine Kleingruppe von JuZetlern und ein „Lift“ nach Nürnberg zusammen, um dort dann eine Schallplatten-Shopping-Tour zu machen, durch besser sortierte und preisgünstigere Läden.

Am Schallplattenspieler im Erdgeschoßraum des Offenen Jugendzentrums stand meistens eine der oben erwähnten Plattensammler-Koryphäen, beschallte den Raum mit interessanter, abgefahrener, spannender Musik, über die viel geredet, oft heiß diskutiert wurde, ähnlich wie über Politik. Was manchmal auch das Gleiche war, ich sage nur: „Ton, Steine, Scherben“.


Übrigens:
Die Melodie, die mir neulich ständig durch den Kopf ging, war „Mystere dans le Brouillard“♫ von Liasons Dangereuses aus dem Jahre 1981 (also aus einer anderen, aus meiner Post-JuZet-Zeit), und, ja, ich habe das Album, auf dem dieses Stück ist, gefunden. Im Plattenregal. Vinyl, schwarze Scheibe, Knistern, wenn sich der Tonarm senkt.

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>>> Unverzichtbarer Lebensgefährte: der Plattenspieler
>>> Kassettenrekorder töten Musik - Home taping is Killing Music
>>> Archiv der Zeitschrift Sounds
>>> Bilder von Nürnberg
>>> Bilder aus London, Punk 70er



Stefan:
Korrekturen und Ergänzungen zu meinem Gastbeitrag "Das Jugendzentrum & die Magie der Schallplatte" im Jugendzentrums-Blog:
Die Band heißt „Ton, Steine, Scherben“ und nicht „Ton, Steine und Scherben, also ohne „und“.
Apple wurde bereits 1976 gegründet u...Mehr anzeigen

Christian:
Danke, ist korrigiert  den Indien Hinweis über Steve Jobs ich noch in deinen Text eingefügt.

Stefan:
Vielen Dank (ich hätte gerne schon eher Dank gesagt, bin aber wg. "Wartungsarbeiten" einige Zeit lang nicht in Facebook reingekommen).

Christian:
Ist mir ein Vergnügen;-)

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