Dies ist kein Beitrag "für" Drogen, aber auch keiner "gegen" Drogen. Drogen können gefährlich sein und sind auf keinen Fall gesund, egal ob es sich um legale oder illegale Drogen handelt. Dies ist der Versuch, Drogen eher rational zu betrachten und daraus abzuleiten, wie man in der Drogenprävention rein ökonomisch betrachtet am ehesten Schaden von der Gesellschaft abwenden könnte.
Ja, damals im Offenen Jugenzentrum haben für einen Teil der Besucher und Aktiven (darunter auch mich) Drogen wie Cannabis und Haschisch eine große Rolle gespielt - niemals IM Jugendzentrum, aber oftmals im Rahmen der Freizeitgestaltung außerhalb des Jugendzentrums. Wer dabei von der Polizei erwischt wurde, riskierte seine komplette Zukunft. In Bayern wurde eher gnadenlos abgestraft und Leben zerstört. Die politischen Parteien befeuerten die Stimmung, statt zu beschwichtigen.
http://www.zeit.de/... |
Gleichzeitig hatte niemand ein Problem damit, dass wir uns als 16-jährige völlig legal mit Alkohol abfüllen und mit Nikotin befeuern konnten. Solange das nicht in Ruhestörung ausartete, war das völlig ok und wurde eher als Zeichen der Reife verstanden.
Dabei sind auch Nikotin und Alkohol Drogen - allerdings legale und sanktionierte Drogen mit einer starken Lobby im Hintergrund.
Die folgenden Zahlen kommen aus frei verfügbaren Quellen. Zwar stammen sie z.T. aus verschiedenen Jahren, sind nicht immer direkt in Beziehung zu setzen, und wer mit der Lupe sucht, wird sicher den einen oder anderen Fehler entdecken - an der Gesamtaussage, die sich durch die Zahlen aufdrängt, kommt man aber nicht vorbei - so oder so.
Tote durch Drogenkonsum (pro Jahr in Deutschland) | |||
Nikotinkonsum | 140.000 | 65,1% | http://www.stern.de/... |
Alkoholkonsum |
74.000
|
34,4%
| http://www.welt.de/... |
davon direkte Alkoholtote |
15.000
|
7,0%
| http://www.stern.de/... |
Drogenkonsum (Heroin, Crystal Meth, … , Cannabis) |
1.002
|
0,5%
| http://de.statista.com/... |
Das Verhältnis der Toten in Folge des Genusses legaler Drogen einerseits und illegaler Drogen andererseits ist frappierend. Rein ökonomisch und statistisch betrachtet macht der Aufstand und Aufwand um illegale Drogen eigentlich gar keinen Sinn. Der ganz große gesellschaftliche Schaden wird anderswo produziert, nämlich mit den legalen Drogen.
Auch über die Umschlagsmengen lassen sich Daten finden:
Umschlagsmengen (pro Jahr in Deutschland) | ||
reiner Alkohol pro Jahr | 778.800.000 Liter | http://www.stern.de/... |
polizeiliche Cannabis Gesamtsicherungsmenge |
1.770 kg
| http://www.drogenbeauftragte.de/... |
Jeder Drogentote ist ein Toter zuviel, aber es ergibt sich nur ein logischer Schluß aus diesen Zahlen:
Kümmert euch weniger um die "illegalen Drogen", kümmert euch stattdessen mehr um Alkohol und Nikotin!
Weniger Drogentote und damit eine hoffentlich bessere, gesündere Gesellschaft lassen sich am effektivsten und einfachsten durch einen veränderten Umgang der Gesellschaft mit Nikotin und Alkohol erreichen.
Dabei kommt der Art und Weise der Berichterstattung der Medien über legale und illegale Drogen eine besondere Bedeutung zu.
(selbst erstellt) |
Die in diesem Zusammenhang oft verwendete Charakterisierung von Cannabis und Haschisch als Einstiegsdroge in harte Drogenwelten ist nicht per se abzuweisen, könnte aber allein schon damit zu tun haben, dass Cannabis und Haschischkonsumenten für den Erwerb ihrer Drogen in eine illegale Untergrundwelt abgedrängt werden, in der eben auch andere Drogen gehandelt werden. Im Übrigen fällt es einem gewohnheitsmäßigen Zigarettenraucher viel leichter, einen Joint zu inhalieren, als einem Nichtraucher. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass Zigaretten deshalb jemals als Einstiegsdroge zum Kiffen verurteilt wurden.
Wie falsch das durch die Medien in der Öffentlichkeit produzierte Bild ist, zeigt sich z.B. an den Ergebnissen der folgenden Suchanfragen in Google News (am 15.2.2015):
Suchanfragen in Google News | |
Drogen Strassenverkehr | 405.000 Treffer |
Cannabis Strassenverkehr | 114.000 Treffer |
Alkohol Strassenverkehr | 106.000 Treffer |
Das Verhältnis der Berichterstattung über Alkohol und Cannabis im Straßenverkehr ist angesichts der realen Anteile dieser beiden Drogen an Verkehrsdelikten und Unfalltoten schlichtweg ungerechtfertigt. Obwohl unzweifelhaft ist, dass die Anzahl der durch Mißbrauch von Cannabis im Straßenverkehr verursachten Toten minimal im Vergleich zu der durch Alkohol verursachten Anzahl von Toten ist, messen die Online-Medien Cannabis im Straßenverkehr offenbar eine größere Bedeutung bei als dem Alkohol. Es scheint fast so, als solle die übertriebene Berichterstattung über (illegale) Drogen den Blick von der übergroßen gesellschaftlichen Problematik der legalen Drogen abwenden. Vielleicht auch weil angesichts der tiefen kulturellen Verankerung des legalen Drogenkonsums hier keine Änderung möglich erscheint und einem Kampf gegen Windmühlen entspricht, mit dem man keine Wähler gewinnen kann.
http://de.statista.com/... |
Da (unabhängig vom Straßenverkehr) 99,5% aller Drogentoten durch Alkohol oder Nikotin produziert werden, wäre dort am ehesten ein signifikanter Erfolg und eine für das Wohl der Gesellschaft wertvolle Veränderung zu erzielen. Rein logisch betrachtet wäre insofern ein Verhältnis der Berichterstattung über Alkohol und Nikotin und über andere Drogen von 200:1 vernünftig und eine Intensivierung der Präventionsarbeit im Verhältnis von 200:1 angemessen.
Inbesondere wenn man Alkohol direkt mit Cannabis vergleichen will, muss berücksichtigt werden, dass innerhalb der 1.002 Drogentoten pro Jahr Cannabistote (wenn es diese überhaupt gibt) nur einen geringen Anteil bilden. Insofern gleitet das Zahlenverhältnis von Alkoholtoten zu Cannabistoten so ins Lächerliche ab, dass sich seriöse Vergleiche eigentlich völlig verbieten.
Suchergebnisse aus Google News |
Dass der Kampf gegen die (illlegalen) Drogen verloren ist, ist den meisten Experten ziemlich klar (http://www.spiegel.de/...), inbesondere solange der Staat Drogenkonsumenten und Abhängige zwingt, unter abenteuerlichen Verhältnissen an den Stoff zu kommen, statt den Vertrieb kontrolliert selbst zu übernehmen, dabei beste, reine Qualität zu garantieren und den Drogendealern damit das Wasser abzugraben. Aber wir, der Staat und seine Bürger, lassen die Drogenkonsumenten allein und zwingen sie in den Kontakt mit dem illegalen Untergrund, um danach herablassend zuzusehen, wie sich unsere Vorurteile an einigen wenigen Einzelbeispielen offenbar bestätigen, während man dabei legal einen Klaren kippt.
https://www.youtube.com/watch?v=byq5UIAYYkk |
Denn wir haben keinerlei Probleme damit, kollektive und staatlich sanktionierte Drogenmißbrauchsorgien wie das Münchner Oktoberfest sogar international zu bewerben und die Besucher zum gnadenlosen Komasaufen zu motivieren. Wie groß ist wohl die Anzahl der Menschen, die jedes Jahr allein auf dem Oktoberfest vom Alkoholmißbrauch in die endgültige, zerstörende Alkoholsucht abgleiten und für die Gesellschaft verloren gehen? Zu diesem Kulturgut des Abendlandes hier ein schönes appetitliches Video: https://www.youtube.com/watch?v=byq5UIAYYkk
Nichts gegen das Oktoberfest, jeder ist seines Glückes Schmied, und es ist Aufgabe jedes einzelnen, seine Art des Umgangs mit dem Alkohol, so wie mit jeder anderen Droge, selbstverantworlich zu bestimmen.
http://www.welt.de/... |
Aber warum um Gottes willen soll das nicht z.B. auch für den Cannabiskonsum gelten? Gleiches Recht für alle, letztendlich wäre das sogar eine Verfassungsfrage.
Und zu Nikotin, einem anderen schleichenden Gift, das wir natürlich gerne in fast jedem Raum des Jugendzentrums ohne jede Rücksicht auf Nichtraucher (gab es die damals überhaupt?) genossen haben, mag ich hier gar nichts sagen.
http://www.infosat.de/... |
Vielleicht erklärt das die unterschiedliche öffentliche Wahrnehmung. Ich kann mich erinnern, dass in meiner Zeit im Jugendzentrum der große Arbeitgeber BAT (HB, Lucky Strike, etc.) in Bayreuth Nachhilfekurse für Bayreuther Schulen gesponsert hat. Sollte man hoffen, dass einer der potentiellen zukünftigen Cannabis-StartUp-Milliardäre bald diese Rolle übernimmt?
Drogen sind ein schwieriges Thema: Drogengenuss zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte. Drogen sind ein riesiger Markt. Rausch scheint ein so tiefes menschliches Bedürfnis zu sein, dass ein generelles Verbot des Drogengenusses wohl keine Chance haben wird. Wenn dem so ist, dann wäre es allerdings vernünftig und ökonomisch logisch, bei der Prävention und der staatlichen Lenkung die Schwerpunkte ganz anders zu setzen, das öffentliche Problembewusstsein neu zu justieren, und denjenigen Drogen das größte Augenmerk zu widmen, welche absolut und statistisch den größten Schaden anrichten - und das sind leider eindeutig die legalen Drogen.
Zugleich erscheint eine staatliche Kontrolle des "illegalen" Drogenmarktes als sinnvoller Weg, zu einer Entkriminalisierung beizutragen, die Verdrängung der Rauschgiftkartelle zu unterstützen, und die unmenschliche Beschaffungskriminalität in den Griff zu bekommen..
Insofern ist die zunehmende politische Diskussion über die mögliche Legalisierung mancher Drogen, die in Zeiten des Offenen Jugendzentrums noch schwer geächtet waren, ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung.
Nachtrag (17.2.2015):
Die gesellschaftlich ambivalente Sichtweise auf und der unterschiedliche juristische Umgang mit legalen und illegalen Drogen beinträchtigen letztendlich, das worauf es ankommt:
- unvoreingenommene Aufklärung und Prävention
- umfassende Hilfe bei Suchterkrankung
- Verringerung der gesellschaftlichen Ächtung jeder Form von Drogenabhängigkeit
- Entkriminalisierung, Vermeidung von Beschaffungskriminalität
- Anerkennung, dass Drogengenuss ein gesellschaftliches Phänomen ist
- zugleich Anerkennung des Wunsches vieler Menschen nach Rausch als kein durch gesetzliche Eingriffe lösbares Phänomen
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